28.03.2013 schöner hätte unser start nicht sein können: fähnchenschwenkende menschen in den straßen, kinderchöre bewerfen uns mit gänseblümchen, nur das wetter, das alte luder, hat mal wieder nix mitbekommen. es fängt just an zu regnen, als wir die räder beladen, immer knapp am gefrierpunkt vorbei. beladen ist untertrieben, wir überladen sie natürlich komplett... sind ein bisschen spät losgekommen, in bad urach holt uns die nacht ein und der schnee. so schieben wir unsere lasten-esel durch matsch-eis die halbe alb hinauf nach seeburg, wo mein bruder den ofen geheizt und pizza gebacken hat. und uns so schöne abschiedsfotos in einen waldweg gehängt hat:

 

 

29.03.2013 immer noch schneematscheis, aber strahlende sonne, wir schieben bis zur europäischen hauptwasserscheide nach trailfingen hoch, ab hier geht alles was flüssig ist richtung schwarzes meer, hinter uns liegen erms, neckar, nordsee. istanbul wir kommen... aber zuerst nochmal ein "ruhetag" (das fängt ja gut an!). aus- und umpacken, letzte näh- und bastelarbeiten an der regenausrüstung, verwöhnen lassen von meinen eltern, eh wir dann an ostern "richtig" aufbrechen, ins "unbekannte". 

 

 

05.04.2013 ...schon über ne woche vergangen, aber es ist schwer, internetcafes zu finden. sind inzwischen im tiefsten bayern angelangt, genauer gesagt in regensburg. aber kurz der reihe nach: ostern haben wir bei meinen eltern auf der rauhen alb verbracht, mindestens zweimal die hälfte des gepäcks wieder abgeladen (nein, die zahnbürsten haben wir noch nicht abgesägt...). am ostermorgen um sieben spielt in auingen traditionell der posaunenchor. wollten wir uns nicht entgehen lassen. danach brechen wir - bestens verproviantiert und maiglöckchengeschmückt - auf. danke für den schönen abschied!!! wir fahren quasi alleine (dank frost und restschnee) durch das lautertal. leute, kommt! auf! die! alb! das ist so schön! kurz vor der donau werden wir überaschenderweise von möven begrüßt. hatte die erst in constanza erwartet... der donauradweg zieht sich zwischen öder agrar-steppe, dorf-hof-land-sträßchen und urwüchsigen auelandschaften dahin, wobei er meistens der donau folgt und selten auf größere straßen ausweicht. wir kommen uns in dieser zauberhaften landschaft zwischen tümpeln, donau-altarmen und baumriesen (die oft von bibern, den schelmen, angenagt sind) oft vor wie im zauberland von oz, nur weniger bunt.

das liegt wohl am frühling, dem faulpelz. die temperaturen unter null werden uns von stetigem ostwind präsentiert, d.h. in unserem fall gegenwind, zum versöhnen wird hin und wieder etwas sonne gereicht. die dörfer verändern sich merklich: ein barockes kirchlein am andern, die häuser oft mit schneckennudel-giebeln, die städte wie barocke filmkulissen. seit gestern wirds auch felsiger, gestern der donau-durchbruch bei kehlheim, dramatisch.und da aller anfang ja bekanntlich schwer ist, fahren wir gaaaaanz langsam, machen viele pausen, schlafen in entzückenden kleinen pensionen oder jugendherbergen und bringen unsere morschen knochen erst mal langsam in schwung. gut ding will weile haben.

 

 

08.04.2013 nur eine kurze anmerkung zu den farben hier: bayern ist viel bunter als daheim! ganz viele häuser hier sind in sehr schönen und verblichenen pastelltönen gehalten, schönbrunner gelb (vor allem natürlich die kirchen und barockbauten, gelb war wohl das damalige weiß), dann viel lindgrün, taubenblaugrau und altrosa, in allen abstufungen. nicht nur in den dörflein, auch in den größeren städten. wurde soeben verifiziert bei einem panoramablick von der oberen veste auf passau, eigentlich zum zwecke der beobachtung des zusammenflusses donau-inn-ilz erstiegen. passau, das "venedig der donau", gefällt uns gut, schöner noch war tatsächlich regensburg, die "nördlichste stadt italiens", zitat aus dem reiseführer. haben uns dort spontan wohlgefühlt und einen ruhetag eingelegt und im cafe mono eine würdigen boulanger-exil-kneipe entdeckt (für alle nicht-tübinger: das ist unsere stammkneipe). und apropos boulanger: wer immer auch die brezel erfunden hat (uracherInnen, haltet euch die ohren zu): die "brezn" in bayern sehen zwar scheußlich aus (also für meine begriffe, sie sind nämlich quasi überall gleich dick, ohne kracherle), sind aber ausnahmslos lecker und können es mit jeder schwäbischen brezel voll aufnehmen. falls das jemand interessieren sollte...

 

 

09.04.2013 plötzlich andere radwegschilder? die grenze überfahren und erst mal gar nix davon gemerkt. mussten umdrehen, um das eingewachsene schild zu entdecken. schengen machts möglich. wenn das nur immer so einfach wäre mit den grenzen. für flüchtlinge ist es entscheidend, in welchem eu-land sie ihren asylantrag stellen. während des tschetschenien-krieges lag die anerkennungsquote hier (also in österreich) über 90 %, im benachbarten tschechien unter 10%. nur, in der landschaft ist nix davon zu sehn...

die donau windet sich in engen schleifen durch harten granit, manchmal war nicht mal platz für ne straße, ab und zu können wir auf fähren die flußseite wechseln, nur fluß, radweg, wälder und felsen. sehr meditativ das ganze. und entspannend, der frühling naht, sonne, ach.

 

 

10.04.2013 der sturm gestern abend (doch noch) hat uns nicht nur die spaghetti verhagelt, sondern auch enormen rückenwind beschert. zum ersten mal! wir pfeifen auf dem damm-weg entlang, dass es nur so ne freude ist. kurzer abstecher nach linz, törtchen essen in so einem netten "alte-damen-kaffee-haus" mit spitzendeckchen unter der kaffeetasse. aber aufgemerkt: linz hat noch mehr zu bieten. barocke schwerindustrie mit rauchenden abraumhalden, eine mischung aus ruhrpott und hamburg, das ist doch auch mal schön.

wenig später stoßen wir auf die gedenkstätte kz mauthausen. hier wurden 1938-45 über 120.000 häftlinge in steinbrüchen und rüstungsbetrieben zu tode geschunden oder ermordet. mehr noch als die erhaltene bausubstanz des lagers beeindrucken mich briefe der gefangenen und interviews mit überlebenden. und die fotografische selbstdarstellung der täter, die alles genauestens dokumentierten, auch das entspannte sonnenbad der ss-männer im liegestuhl zwischen den baracken.

 

 

11.04.2013 interessiert sich wer für burgen? da es hier sehr felsig ist, stehen die malerisch auf den exponiertesten stellen und lassen sich gerne von flusskreuzfahrt-schiffen aus fotografieren. im vergleich mit den noch zahlreicheren barock-güldenen klöstern hier sind die burgen und schlösser aber von fast bemitleidenswerter kargheit. könnten wir ja mal überlegen, wer die größeren räuber waren, die herren ritter oder ihre frommen brüder...  

boshafte abschweifung, die landschaft ist derart schön, davon muss berichtet werden. wir durchfahren die wachau, wie mir scheint das saint-emilion österreichs. obstwiesen, weinberge an steilen hängen, schroffe felsen, liebliche weingüter und verwinkelte dörfer, eine augenweide. lohnt sich hier entlangzufahren, unbedingt.

treffen später noch auf den fundort der "venus von willendorf", eine steinzeitliche, sehr üppige frauenstatuette aus kalkstein, damals in ganz europa verbreitet, die hier ist die schönste! am fundort steht eine lebensgroße replik, ich bin sehr beeindruckt! und noch später stellen wir unser zelt neben einem radler-paar aus bristol (uk) auf, die auf dem weg nach neuseeland sind. werden uns wahrscheinlich noch öfter treffen unterwegs.


 

12.04.2013 wien. erstmal zu meinl am graben, und eine melange mit schlagobers im "cafe aida". zur erklärung: 1999, als ich noch schreinerlehrling war, fertigten wir das meinl-portal in der möbelwerkstatt in rottenburg und bauten es (winter wars gewesen) hier ein. steht noch, nix verzogen, sieht gut aus, das blattgold glänzt. von dieser stelle aus liebste grüße an patina, michael und elke, anja und jörg, christian und oli, die damals alle mit von der partie waren! 

und, ja, ihr habt es richtig gesehen: der anhänger ist nicht mehr dran. wir haben uns nach langem hin und her entschlossen, ihn zurückzuschicken. er ist zwar treu und brav und ohne mucken hinter uns hergefahren, aber die neun kilo gewicht waren auf schotter, schlamm und an steigungen halt doch deutlich zu spüren. so haben wir unsere räder halt etwas schwerer bepackt und auf das fünfte rad verzichtet.

 

 

21.04.2013 budapest. mistmistmist. sind gestern mittag in budapest eingeradelt und haben gepáck und ráder im dritten stock verstaut (liebe marie und joachim, danke, dass wir eure tolle wohnung nutzen dürfen!). und uns dann zu fuss (!!!) in die wundertolle stadt aufgemacht, als eine critical-mass-fahrrad-demo mit vielen zigtausen radlerInnen startet. na ja, wir konnten das zusehen geniessen...

 heut den ganzen sonn(en)tag im király-bad verbracht. das álteste thermalbad der stadt, 1566 wáhrend der osmanischen zeit budapests erbaut und seither unverándert, wie es aussieht. unter den kuppeln drei becken, kühl, warm, heiss, ein dampfbad und eine sauna. durch die bullaugen in den kuppeln bahnen sich sonnenstrahlen durch den dampf. das schönste bad, das wir kennen, korea und bad wildbad sehen blass aus. wir haben beschlossen, hier zu bleiben und jeden tag herzukommen, bis die reisekasse leer ist und wir wie kaulquappen aussehen...

aber bevor das raum-zeit-kontinuum zu sehr durcheinander gerát, zurück auf los, nicht über schloss-allee. (wobei die strecken für uns oft wie schlossallee wirken, wunderschőn beschaulich auf dem uferdamm, oder durch kleine dőrfer, nur der tiefe, weiche, runde schotter bzw. die schlaglőcher auf den landstrassen sind manchmal ganz schőn kraftraubend und speichenquálend). also zurück nach wien:

die strassenbahnansage tőnt hier nicht: "mind the gap" oder "zurückbleiben, bitte" sondern: "sehr verehrte fahrgáste, es besteht eine lücke zwischen wagon und bahnsteig, bitte seien sie vorsichtig beim ein- oder aussteigen". sehr symptomatisch für wien find ich das. in aller kürze noch: eismarillenknödel im eiskaffe tichy, kunst im glaskasten, grusel im prater, die letzte tollwutimpfung im tropeninstitut (das wie in tübingen ein so angenehmes krankenhaus ist). adrian und florent, danke für eure gastfreundschaft!

am náchsten tag dann schon bratislava, die náchste europáische hauptstadt. ich merk beim reisen, dass ich schon bestimmte vorstellungeun im kopf hab und dann dazu tendiere, die realitát mit ihnen abzugleichen. bratislava ist eine sehr moderne und quicklebendige stadt, aber es gibt sie noch, die eingesprenkelten reste der erwarteten ostblock-architektur. voila:

dazu kommt dann auch ein historisches staudamm-grossprojekt, die duna ist über zig kilometer zu 97,5 % eingedeicht, donauaue futsch, die zweieinhalb prozent restdonau sind dafür sehr romantisch. immerhin steht auf der kraftwerksinsel ein kunstmuseum mit vielen plastiken, grad im umbau und alles etwas derangiert, aber malerisch.

mitten in der pampa, irgendwo auf dem donaudamm, treffen wir dann auf jonathan aus wittlingen (das ist das nachbardorf von seeburg, erste etappe unserer fahrt). er wandert die donau runter, das schwarze meer hoch, nach odessa, seine freundin besuchen. so ein nettes zusammentreffen! gute reise dir, jonathan!

als wir -bislang- zum letzten mal die donau überqueren, legt unser kleines floss auf der südseeinsel tahitótfalu an. entpuppt sich dann doch als nette ungarische kleinstadt, aber die sprache klingt für mich so exotisch! und bei allem langsamen wandel in landschaft und ortsbild, den wir jeden tag erradeln, ist es dann doch ein aprupter schritt, grad mal drei wochen unterwegs, plőtzlich gar nix mehr zu verstehen, und die etiketten sind auf ungarisch, slowakisch, rumánisch und bulgarisch gedruckt. es fángt án, spánnénd zú wérdén...! 

 

 

23.04.2013 budapst. bevor wir richtung kroatien aufbrechen, noch kurz ein bild vom gestrigen abend: die nachbarn haben uns spontan ins "schőnste kaffeehaus budapests, vielleicht sogar ganz europas" eingeladen (das café new york) und zu einem náchtlichen rundgang durch die stadt. ein wundevoller abend, danke! 

 

 

25.07.2013 mohacs, ungarn.  von budapest gehts bei hochsommerlichen temperatuern immer nach sueden, durch den gemuesegarten ungarns. unsere route schlaengelt sich auf kleinen landstrassen durch weite ackerflaechen, alle paar kilometer ein kleines dorf. fast immer mit zwei kirchen, serbischorthodox und katholisch. und immer laedchen und leckere baeckereien. am ortsrand viele kleine bauernhoefe, gemuese und hennengarten, obstwiese und misthaufen. zwischen idyllisch und aermlich. ueberhaupt stehen viele haeuser leer, muessten dringend renoviert werden oder zerfallen. vom demokratieabbau in ungarn, den angriffen auf die pressefreiheit und die unabhaengigkeit der justiz, die in letzter zeit durch die presse gingen, bekommen wir beim radeln natuerlich nix mit. dass es wirtschaftlich sehr hart ist, sehen wir und bekommen es auch gesagt.

entlang der donau fahren wir kilometerweit durch wochenendhaussiedlungen, die wohl meist den sommer ueber bewohnt werden, manche auch staendig. so was. es scheint kaum bauvorschriften zu geben, was zu einem architektonischem augenschmaus fuehrt. von muggeligen hobbitheimen zu spitzen zwergenhaeuschen, blech, sperrholz, beton, es ist eine freude. und auch schoen zum campen geeignet. und weil das ungarische pustzaklischee nicht ohne pferde und paprika auskommt: pferde gibts, vor allem vor den karren gespannt. und an mit kraut gefuellten paprika und gurken, milchsauer vergoren, essen wir uns seit tagen satt. mit couscous, raeucherkaese und brot, ein genuss. fuehlen uns schon selbst fast wie krautgefuellte schnittchen, wobei das sonnenbrandrot nach der obligatorischen schaelung einem satten braun weicht...

 

 

28.04.2013 sotin, kroatien. das erste, was wir von kroatien sehen, sind die minenwarnschilder am grenzstreifen. die begegnen uns noch ein paar mal, es gibt immer noch nicht geraeumte minenfelder hier. in osiek, der hauptstadt der provinz slawonien, fallen dann die zerschossenen fassaden auf. traumhaft schoene jugendstilhaeuser, manche nur angepickt, manche bis zur unkenntlichkeit entstellt. um vukovar dann immer wieder zerbombte haeuser, ausgebrannte ruinen, der zerschossene wasserturm als mahnmal gegen den krieg.

aber obwohl immer noch so vieles kaputt oder nur notduerftig geflickt ist, und wir staendig an diesen zeitgenoessischen und komplett unverstaendlichen krieg erinnert werden (in ungarn stehen ueberall denkmale an die kriege gegen die osmanen), fuehlen wir uns hier sehr wohl. ueberall volle strassenkaffees und musik (am laengsten und lautesten im club unter unserem hostel, noch nie so viel reggae getraeumt...).

uns winken oder hupen oder klingeln staendig leute zu und sprechen uns an, oft auf deutsch. als wir sonntag frueh passanten nach einer baeckerei fragen, laedt er uns in sein kaffee ein. hat waehrend des krieges in poltringen gelebt und in der BG unfallklinik in tue gearbeitet. seine tochter ist fast ne nachbarin von uns. schon klein, diese welt.


 

29.04.2013 belgrad, serbien.

jetzt begeb ich mich wirklich auf vermintes gelaende... also verbal. als wir die grenze nach serbien ueberqueren, fuehl ich mich ein bisschen wir der kleine hobbit, der sich mordor naehert. und dann gilt als hoehepunkt des serbischen donauradwegs auch noch das EISERNE TOR (wobei die deutschsprachigen pendants donaudurchbruch und schloegener schlinge irgendwie nach darmerkrankungen klingen, auch nicht besser). ach quatsch, ich stelle also fest, dass sich in meinem kopf zwanzig jahre alte fragmente der balkankriegsberichtserstattung, mein umfassendes halbwissen und nichtverstehen dieses absurden und graesslichen krieges und unverdaute vorurteile ueber serbien mischen. ich bin mir dessen wohl bewusst und schaem mich ein bisschen, aber mulmig ist mir trotzdem. (das foto stammt aus kroatien, aber weil vorurteile und minen verwandt sind, passts hier trotzdem rein.)

und dann empfinden wir serbien erstmal tatsaechlich als weniger zugaenglich. die leute sind sehr viel zurueckhaltender als wir das bisher erfahren haben, alles wirkt (und ist vermutlich auch) erstmal aermer und ein bisschen haerter. das zentrum von novi sad ist herausgeputzt wie eine puppenstube, aber drumrum siehts zum teil elend aus. zum erstenmal auf dieser reise stossen wir in den randbezirken auf wellblechbuden im staedtischen oedland, entlang der landstrassen viele wilde muellablagerungen. (die huepfburg am stadtrand von novi sad hab ich fuer maria fotografiert, die hier auch bald durchradelt, und weil sie die wohnblocks bunter macht). 

der verkehr um novi sad und belgrad wahnsinnig anstrengend. kein abbremsen und ueberholen mit drei metern abstand, manchmal eher ungebremste 30 cm. (wobei die leute oft die hupe kurz antippen, das ist sehr hilfreich. und rueckspiegel am fahrrad seien hiermit allen empfohlen, nie mehr ohne!). aber fuer all das kann das land ja nix, es gibt hier halt keine radwege oder alternativrouten zu den grossen einfallstrassen. (haben wir jetzt hinter uns, so schlimm wie im radreisefuehrer angedroht wars nicht.)als wir nach einer moerderischen steigung in einer gartenhaussiedlung nachfragen, ob wir unser zelt irgendwo auf der wiese aufstellen duerfen, werden wir dann erstmal ein paarmal abgewiesen. also so langsam... doch dann bekommen wir gleich ein ganzes gartenhaus angeboten, sitzen plaudernd auf der terasse mit susi und stanko, trinken regionalen leckeren rotwein, kochen lecker und schlafen auf einer weichen couch. so schoen, schon versoehnt. vielen dank, liebe susi! und sitzen jetzt in einem netten hostel im sechsten stock ueber belgrad und freun uns auf die stadt.

 

 

30.04.2013 belgrad, serbien. schon sind die vorurteile zerbroeckelt wie die belgrader festung, die sich in einen wunderschoenen park verwandelt hat. die stadt ist toll. extrem dicht und voellig zusammengewuerfelt bebaut und trubelig, vor allem beton-wohnblock-hochhaeuser, dazwischen ein bisschen barocker stuck und gruenderzeit eingestreut, die prachtmeile wie gewohnt schick renoviert und die gleichen schicken laeden wie ueberall, drumrum eher "schaebi-schick". noch selten so russgeschwaerzte haeuser gesehen wie hier. wunderschoene strassenbahnen, kleine parks und maerkte.

und wie fast ueberall in den herausgeputzten europaeischen innenstaedten: so gut wie keine sichtbar arme menschen. wir sitzen am rande eines gemuesemarktes bei einem kleinen strassen-klamottenmarkt. ploetzlich sind alle staende innerhalb von 3 sekunden weg, nur noch ein paar pappkartons uebrig, und einige polizisten schlendern die strasse entlang und scheuchen die uebriggebliebenen weg. nur ein altes muetterchen mit ein paar blumenstraeussen vor sich bleibt sitzen. 

 

 

02.05.2013 beograd, serbien. its some kind of my job to bring people together... der besitzer vom hostel hat jemand zum trinken und plaudern gebraucht. warn grad wir da. fanta wodka shot, dazu philosophie, religion, politik und den ganzen rest. auf das alles verzicht ich jetzt lieber, interessant seine erklaerung der "serbischen dna. wir serben muessen erstmal muerrisch sein und drei mal nein sagen. danach sind wir ganz nett". zum beweis kredenzt er uns weitere fantas und drueckt uns zum abschied den schluessel fuer ein doppelzimmer in die hand, sei doch gemuetlicher als dormitory. hat er recht. am naechsten morgen geh ich in die post. geschlossen. brueckentag zwischen erstem mai und orthodoxem osterfest. nur ein pfoertner im kabuff. er ignoriert mein fragen erstmal. dann wedelt er mich wie eine fliege weg. als ich weiterfrage, knurrt er "go away its closed". als ich nochmal frage bittet er mich herein, erklaert mir den weg zur hauptpost und erzaehlt etwa seine halbe familiengeschichte dazu, bevor er weiterfruehstueckt. also dreimal fragen. wieder was gelernt. 

 ...kein alter panzerkreuzer, sondern ein brachliegendes partyboot.

 

 

03.05.2013  die ausfahrt aus belgrad nicht grad schoen, viel industriestaub gefressen... danach den ganzen tag auf dem dammweg bzw. wegen des gegensturmes auf einem grasweg daneben. wie im italowestern, ein erdweg, hin und wieder ein hof, schaf- und ziegenherden, schlangen und froesche.

und leider entsetzlich viel muell im fluss, die segnungen der muellabfuhr werden erst sichtbar, wenn sie fehlen. abends dann, als wir schon nicht mehr dran glauben, ein wunderschoener zusammengebastelter campingplatz im nirvana. naechste woche geht die selbstgeschweisste faehre in betrieb. mast- und schotbruch, milos!

  

 

04.05.2013 donji milanovac, serbien. wir campieren mitten im stadtpark an der donau. weil die touri-info zu war, hat eine gerade anwesende grenzpolizistin diesen platz spontan zum campingplatz deklariert, wenn wer was will, sollen wir ihn zu ihr schicken... na da sind wir beruhigt. will aber eh niemand was, es ist so entspannt hier, riviera. wir durchradeln einen riesigen nationalpark aus bewaldeten bergen, felswaenden und dem fluss.

 

 

06.05.2013 eisernes tor, serbien. endlich geschafft. also nicht wir, die donau. musste sich schon wieder ueber hundert kilometer durch ein gebirge beissen, felswaende auskehlen (ueber 600 meter tief), strudel und untiefen zum schrecken der schifffahrt erzeugen, das hat sie jetzt hinter sich. und wurde zum dank durch einen mega-staudamm gezaehmt und nutzbar gemacht.

unsere fahrt durch serbien steht derart im kontrast zum trubeligen belgrad. wir fahren durch ein ausserordentlich ruhiges, landwirtschaftliches, huegeliges (sagen wir ruhig aus der sicht der radelnden: bergiges) und einsames land, auf kleinen landstrassen, die leider mit ueberfahrenen schlangen, froeschen und echsen gepflastert sind. mindestens hundert tote kreuzottern gezaehlt, viele lebende natuerlich auch, und zwei recht grosse schildkroeten gerettet. sirke lernt unter fachkundiger anleitung eines ex-hundehalters bruellen, naemlich hunde an-. weil die entweder ihre schafe verteidigen oder sich vor ihren kumpels aufspielen wollen. bisher lassen sie sich aber noch recht schnell beeindrucken und suchen das weite.

 

 

07.05.2013 vidin, bulgarien. schon wieder ein neues land. und schon wieder erst mal eine fast filmreif inszeniert wirkende verunsicherung zu beginn. wir erreichen bulgarien in der groessten mittagshitze am ostermontag. und betreten quasi eine geisterstadt. die ersten strassen der stadt scheinen komplett ausgestorben, viele leerstehende gebaeude, einige ruinen, unbewohnt. ein einsamer hund liegt auf der hauptkreuzung und schaut uns muehe- und vorwurfsvoll an. wir pausieren im park, unter dem monument eines stuermenden soldaten mit bajonett und fahne, blumengeschmueckt. und immer noch so gut wie niemand zu sehen. fahren dann auf einer wunderschoenen allee durch lauter kleine doerfer, in denen einige alte vaeterchen und muetterchen auf baenken vor den hausern sitzen und plaudern oder doesen. in den ersten zwei stunden ueberholen uns zwei autos. die bauernhaeuser sind schaetzungsweise aus den zwanzigern, in dunklen erd-, gruen- und ockertoenen gestrichen und mit weissem stuck verziert. viele auch aus den vierzigern und fuenfzigern, immer mit verglasten veranden und aussentreppen, sehr schoen sachlich,aber liebevolle details. fast immer kleine gaerten, viele tiere (esel, ziegen, schafe). kommen uns ein bisschen vor wie im freiluftmuseum. am nachmittag erwacht aber dann alles, ueberall wird draussen gesessen, getrunken, sehr gemuetlich. wir legen einen ruhetag in vidin ein, eine kleinstadt, architektonisch derart bunt gemischt aus historischen stadttoren, fuenfziger-monumentalbauten, alten stuck-haeusern, brutal-brachial-plattenbauten, orthodoxen kirchen, kleinen blechkiosken, marktplaetzen, das passt auf kein foto.

 und weil die orthodoxen kirchen meistens so wunderschoen bemalte ikonostasen mit viel gold und patina haben (vor allem alte baertige maenner, meint sirke) und gut riechen und kuehl sind, hier auch noch eine: 

 

 

08.05.2013, zaval, rumaenien.  ich koennt grad heulen. so schoen ist das hier. und nachdem ich ja erst gestern die bulgarischen doerfer so gelobt hatte, fehlen mir jetzt die worte. deshalb erstmal ein paar worte: ich will hier jetzt nicht das vermeintlich glueckliche, einfache landleben preisen. dazu hab ich nicht geografie studiert. erstes seminar: geografie der laendlichen siedlungen bei herrn eck. und mein erstes referat (zusammen mit meinem brudi, den ich hiermit herzlich gruesse: du wicht) hiess: "das ende des dorfes? das dorf als idyll oder als not- und zwangsgemeinschaft???" also: hier wird sicherlich auch nur mit wasser gewaschen, unter jedem dach ein ach, in jeder kneipe schon morgens ein paar biertrinkende maenner (waehrend die frauen daheim den laden am laufen halten). aber die doerfer sind so wahnsinnig schoen. so gut wie alle haeuser sind mit stuck verziert, mit geschwungenen fenstern und schnitzereien, ich kanns nicht beschreiben, fotos her:

 

 

und das sind jetzt nicht irgendwelche ausnahmehaeuser, zu denen wir per reisefuehrer hingelotst worden sind, schaetzungsweise die haelfte aller dorfhaeuser ist in diesem stil erbaut und erhalten. das sonderbare daran, sie sind fast alle aus den 60er und 70ern, die aeltesten aus den zwanzigern. und alles, was danach kommt, sieht etwa wie folgt aus, gerne auch in knallorange, da schweigt des saengers hoeflichkeit.

komischerweise sind die neubauten fast immer unbewohnt, scheint auch hier eine immobilienblase geplatzt zu sein. am rande der doerfer fast immer verlassene und zerfallende agrargrossbetriebe oder industrieruinen.

doch zurueck zu den doerfern: vor JEDEM haus eine bank, meist passend zum gartenzaun zum haus gestrichen, in jedem der doerfer viele kleine mini-market oder magazini generali, in denen es alles gibt, was der alltag braucht (ausser festes brot zum draufbeissen und kauen).und weil die architektur allein ja noch nix aussagt: auf allen baenken sitzen leute und unterhalten sich, ab mittags die alten, spaeter dann bunt gemischt. dabei wird auch staendig ueberall gearbeitet, und zwar hart. wir wurden heut frueh in unserem zelt am rand eines weinfeldes um kurz nach fuenf geweckt, weil der bauer mit seinem pferd zum eggen kam. sehr leise und ruhig, eine furche nach der anderen, um sieben kam seine familie zum haeckeln und jaeten dazu, von den kindern zu den eltern. es macht aber alles einen entspannten und unglaublich unstressigen eindruck. mit dem pferdewagen aufs feld fahren geht halt einfach ruhiger als mitm traktor. und die pferdegespanne sind hier in der ueberzahl. die pferde warten am rand des feldes, wenn sie nicht grad pfluegen muessen oder beladen werden, und muemmeln heu oder grasen.

dabei wirkt alles ueberhaupt nicht hinterwaeldlerisch oder rueckstaendig. an den feldern leider auch hier ueberall schilder von BASF und bayer, und in jedem zweiten dorf ein agro-shop mit saatgut, duenger, spritzmittel etc. von den selben multis. die gleichen grossen autos wie ueberall (aber auch viele echt antiquierte kisten), und mit dem smartphone laesst sichs auch am zuegel eines pferdegespannes telefonieren. 

und dann sind die leute im dem doerfern auch noch wahnsinnig freundlich, winken uns staendig zu und sprechen uns an, wir kommen uns schon vor wie die queen vom vielen zurueckwinken. und die kinder stehen an den strassenrand zum handabklatschen im vorbeiradeln. dabei sorgen unseren komischen raeder natuerlich schon auch oft fuer lacher.

die staedte in rumaenien unterscheiden sich grundlegend von den doerfern. unter ceaucescu wurden wohl oft grosse teile der innenstaedte komplett abgerissen und mit plattenhochhaeusern neu bebaut, so sehn sie immer noch aus. der charakteristische stilmix aus alt-neu-stuck-platte der bulgarischen staedte fehlt hier.

 

 

10.05.2013 islaz, rumaenien.  freunde. ihr koennt mich muecke nennen. also ich hab eine nacht hinter mir. kommen doch gestern abend zwei blutspender auf ihren draht-eseln hierher. frisch eingesalzen. und bauen so eine art kuppel auf, mitten in unserem brutgebiet an der donau. 

wir sofort auf sie mit gesumm. haben sie an sich selbst chemiewaffen eingesetzt, aermel und hosen runtergekrempelt, rauchspiralen angezuendet und mit handtuechern gefuchtelt. als ob sie uns mit absicht das essen versauen wollten. aber wir haben sie einfach zahlenmaessig erdrueckt. dann fangen die an, reis, zuchini, zwiebeln und knoblauch mit kokosmilch zu kochen und aufzuessen. als ob frisches blut nicht gut genug waere. (ihres war auch noch schaetzungweise mit zwei bier verduennt, uahhhh). na ja, danach sind sie echt fix in ihrer kuppel verschwunden. wir alle hinterher. aber ach, eine falle! war alles fein vergittert. sie haben ein wahres massaker an uns veranstaltet. nur ich konnte mich verstecken. hab dann nachts noch ein paar tieffluege veranstaltet, und heut frueh nix wie raus. wenn ich das morgen meinen hundert kindern und uebermorgen meinen 10.000 enkeln erzaehl...

...aus diesem eckladen kamen die besagten bzw. besummten biere zum abendessen. nicht denkmalgeschuetzt, etwas zerfallen und auch nur einer von schaetzungsweise fuenfen dieser art, die in jedem dorf zu finden sind.

 

 

13.05.2013 ruse, bulgarien. ruhetag. heut jetzt wirklich. gestern eigentlich auch schon, aber dann konnten wirs nicht lassen, ohne gepaeck unbeschwert einen rad-ausflug zu machen und sind dann doch den halben tag rumgefahren. zu den felsenkloestern von iwanowo, weltkulturerbe. das waren mal (12. bis 17. jhd) mehrere hundert in felswaende gehauene zellen, kapellen und kirchen, hoch ueber einem flusstal. sind leider nur noch wenige uebrig, aber trotzdem sehenswert.

und das tal ist spektakulaer, steile griffige kalkfelsen direkt ueber einem schlaengelnden flusslauf, ein kletter-eldorado. (hatte oben auf dem balkon derart weiche knie, und das als ex-kletterer...) wir hatten dann die idee, auf einem kleinen weg dem tal zu folgen, weg wird zum wegle, zum pfad, zu einer praehistorischen traktorfurche durch einen sumpf, und wer wohnt dort? muecke&friends. der umweg hat sich trotzdem gelohnt, und ein zweiter ruhetag ist auch schoen.

fuer bulgarien war das gestern kein so guter tag. es gab vorgezogene neuwahlen, weil die rechtskonservative regierung wegen massenprotesten gegen armut und weit verbreitete korruption zurueckgetreten war. und obwohl am samstag 350.000 gefaelschte stimmzettel im einer druckerei beschlagnamt worden waren, deren chef mit dem bisherigen regierungschef befreundet ist, hat dieser die wahl mit 31% gewonnen, er wird wohl eine minderheitsregierung bilden, oder es gibt einen zweiten wahlgang.

mit einem wahlplakat hatte ich mich erstmal voll angefreundet, es war grafisch supergut, ein stencil, und zeigte als einziges keinen vertrauenserweckend serioes dreinblickenden herren. sondern einen grimmigen. bis ich das plakat dann gegoogelt hab. der kerl ist ein nazi, seine nationalistische, auslaenderfeindliche partei atakahat eine eigene zeitung und einen radiosender. und zieht mit 7,6% ins parlament ein. so eine schande!

 

 

15.05.2013 kloster dervent, rumaenien.  abschied von der donau. nachdem wir soviel strecke gemeinsam zurueckgelegt haben, faellt uns der abschied nicht leicht. aber die donau biegt hier in norden ab, fast bis an die ukraine, und wir wollen nach osten und sueden. wir hatten ja immer wieder ueberlegt: wer ist wohl schneller, wir oder der fluss? am schwarzen meer treffen wir uns wieder. den letzten blick von der donau erhaschen wir vom kloster dervent aus, wo wir uebernachten. wir werden von einem zukuenftigen moench einquartiert und uns dann selbst ueberlassen. so koennen wir umherstreifen, den moenchen mit ihren schwarzen kutten, kegelstumpf-hauben und beeindruckenden wallenden baerten bei ihren gesaengen zuhoeren und jede menge kunst am bau bewundern. mindestens einen bruder steinmetz und einen sehr originellen bruder betonator muss es hier geben, dazu viele gaertner, winzer und bauarbeiter.

denn hinter der kirche entsteht ein mindestens fuenf mal so grosser kathedralen-neubau. tatsaechlich gibt es hier in jedem zweiten dorf ein kloster, fast alles neubauten, und alle nicht eben klein. es geht auch immer sehr fromm zu, sobald irgendwo ein kreuz sichtbar wird (beim einkaufen, vieh ausfuehren, vorbeireiten oder -fahren), wird sich mehrfach bekreuzigt, es werden massenhaft ikonen gekuesst, kerzen entzuendet, selbst die baustelle wird schon bepilgert und vor den armiereisen des zukuenftigen altares niedergekniet. alles zwischen anruehrend und skurril angesiedelt.

unsere zweite etappe durch rumaenien unterscheidet sich von der ersten. vielleicht hat sich unser blick veraendert, die doerfer aber auch. es wirkt alles nicht mehr so huebsch und museal, eher kaerger, zusammengeflickter. immer noch reine bauerndoerfer, fast jedes haus ein kleiner hof, aber fuer uns wird viel mehr sichtbar, dass es sehr hart erarbeitetes brot ist. dafuer treffen wir in der grenzstadt silistra auf sehr schoene plattenbauten.

und die strassenhunde werden immer netter. wir koennen uns kaum mehr wehren...

ein grenzer in silistra erklaert uns dann ausfuehrlich die eu-politik. rumaenien und bulgarien seien schon lange bereit fuer schengen, machten sogar schon gemeinsame grenzabfertigung, die "gipsy people" seien das problem. sie faenden in ro und bg keine arbeit, und deshalb wollten sie alle nach deutschland und frankreich. und deshalb verhinderten wir (also dt und f), dass sie (ro und bg) in schengen aufgenommen wuerden. (da mag was dran sein, es ist aber auch so, dass in bruxelles tatsaechlich viel geld liegt, um roma ins bildungssystem und in den arbeitmarkt zu integrieren, und von bukarest und sofia nicht in anspruch genommen wird). tatsaechlich sehen wir weniger als befuerchtet vom gipsy problem, das aber schon immer wieder (auch zwischen den zeilen) angesprochen wird. natuerlich leben hier viele roma, und sie sind offensichtlich aermer als ihre nachbarn. wir sind aber nicht auf huettensiedlungen gestossen, wie wir sie aus reportagen kennen, dafuer ist es wahrscheinlich zu doerflich hier. schlimm genug, dass wir -vor allem beim vesper im park oder beim kaffeetrinken- immer wieder von roma-kindern angebettelt werden. und dann? abweisen, weil man kinder nicht zum betteln erziehen soll, oder doch ein paar lei???

 

 

17.05.2013 constanta, rumaenien. nach 50 tagen radlerei das schwarze meer erreicht. ist aber gar nicht schwarz, sondern im mittaeglichen gegenlicht bleiblaugrau. das passt zur stadt, "the old town is under construction", hat uns wer vorgewarnt. tatsaechlich ist die altstadt eine einzige grosse baustelle, viele haeuser entkernt oder halb eingefallen, die alte synagoge mit eingestuerztem dach wird von einem rudel strassenhunden bewohnt und von den nachbarn als geruempel-abstellplatz genutzt. als wir ueber aufgerissene strassen das kasino erreichen, die spitze von konstanta, da wo sich land und meer kuessen, zeigt der kilometerzaehler 3000kommanull an, ehrlich, ohne lug und rundung. wenn das kein zeichen ist, ich grueble, wofuer... vielleicht sollte ich nach der reise film studieren und hier ein melancholisches road-movie enden lassen. oder einen gangster-film? wenns bis dahin noch nicht eingefallen ist...

  

 

19.05.2013 jupiter, rumaenien. die goldenen sechziger-jahre. die nachbarorte, alles seebaeder, heissen saturn, neptun und venus. und 20 kilometer weiter, auf der bulgarischen seite, kommt gleich kosmos. jippiieeee.

das entschaedigt uns dafuer, dass die ausfahrten aus grossen staedten immer so anstrengend sind. jupiter ist 40 km luftlinie von constanta entfernt, auf dem tacho sinds 85, gefuehlte 130. der relaxte ruhetags-muskeltonus dahin. vierspurige stadt-ausfalls-strassen sind nicht so schlimm, wenn sie einen standstreifen haben. aber hier gabs nen senkrecht betonierten seitengraben, nicht gut zum ausweichen. sind deshalb nach dem ersten dorf auf eine landstrasse ausgewichen, die sich aber flugs in eine erdpiste verwandelt hat, nur hin und wieder mit grobem schotter ueberzuckert, wenn grad zu wenig gegenwind blaest.

das ist aber die ausnahme, insgesamt sind die strassen in rumaenien und bulgarien in wirklich gutem zustand, vor allem ueberland, innerorts eher flickwerk. kaum schlagloecher, die schachtdeckel da, wo sie hingehoeren, auf den schaechten!

 

REISEWARNUNGEN: ein betagter constantinischer parkplatzwaechter in phantasieuniform fragt uns, wie wir denn die tuerken in deutschland faenden. ist zufrieden, dass wir sie o.k. finden. denn er gehoert der tuerkischen minderheit in bulgarien an, sie seien fromme leute, vor denen wir keine angst haben muessten. aber die bulgaren... und vor allem die zigeuner! wir wuerden, wenn wir ueber land fahren, mit sicherheit ausgeraubt werden. diese warnung hat fuer uns schon tradition: in oesterreich und ungarn vor dem balkan allgemein: gefaehrliches pflaster! in kroatien dann vor allem vor den serben, in serbien vor rumaenien und bulgarien. hier ist es jetzt die tuerkei, wir werden mit cocktails betaeubt werden und ausgepluendert. und generell sei es nachts ueberall sehr unsicher. wir sitzen dann doch spaet abends im park, auf roemischen ruinen, und trinken ein bier. gegenueber eine horde jugendlicher, sie trinken bier und treiben unfug mit einem sichrlich gestohlenen fahrrad. oha. dann naehern sie sich uns im pulk. kommt jetzt ein raub? der mutigste spricht uns an: "hej, tonight all museums are open until midnight, do you come with us?" die staedtische galerie in constanta ist riesig, komplett voll behaengt mit bildern und gut besucht, so spaet abends. uns beiden gefallen die bilder von cornelius baba gut, etwas unheimliche irritierende menschenbilder und portraits. und ein bildhauer, der schraege sammelsurien zusammenstellt und skulpturen baut, die aussehen wie ein alien auf lsd.

   

 

20.05.2013 tuzlata, bulgarien. wir fahren erst mal kuestenparallel durchs hinterland, hier wird bis zum horizont getreide und wein angebaut und energie geerntet, ein windrad dreht sich am anderen. die strassenraender sind so ueppig blumenbewachsen, uns flimmern die augen, farbe drueckt aus jeder pore, ich pinkle inzwischen regenboegen. ein hoch auf die bulgarischer strassenmeisterei!

wenn die strasse dann mal ans meer fuehrt, sind wir fuer alle bisherigen strapazen entschaedigt, selbst der wind vergessen (nur zu beginn unserer fahrt, der anstieg zur jugendherberge in kehlheim, der war und ist unverzeihlich!).

 

wir finden einen sehr suessen campingplatz im retroschick, direkt am meer, steilkueste, das schoene ist, wir sind vor der saison da, ueberhall wird gehaemmert, gepinselt, renoviert (ein winter am meer ruiniert alles, was nicht drinnen war), riesige berge muell und gras werden verbrannt, kuehlschraenke hin- und herchauffiert, sonnenschirme aufgespannt und bastschirme in reih und glied ausgerichtet...

 

 

24.05.2013 aheloy, bulgarien. bulgarische schwarzmeerkueste, es ist ein fanal. ist das hier boom oder krise? die kueste ist so zugeglobbert mit hotel-resort-urlaubs-schloessern, alle komplett neu gebaut oder fast fertig. alle von so ausgesuchter scheusslichkeit, es ist unfassbar. "apart-residence golden beach", "family dream-resort casablanca", so halt. saeulen, tuermchen, erker, boegen, dazwischen ueberall fast-food-vier-sterne-restaurants mit A0-grossen laminierten bebilderten speisekarten nebst original bulgarischem kunsthandwerk. und dazwischen lauter einstuerzende neubauten, nie in betrieb genommen, for rent oder for sale, for kalkuliert? und dazwischen die zerbroeselnden wirklich alten hotels aus den 70ern und 80ern, und dazwischen baustellen und rohbauten fuer die naechste saison.

jedes stueckchen land, von dem aus irgendwie das meer erspaehbar waere, ist for sale. was fehlt sind die campingplaetze, fast alle draufgegangen waehrend der letzten fuenf jahre. da hilft ein bad im meer und windschutz hinter zwei abgestellten wohnwaegen am strand. 

in er naehe strandbars, und auch hier ueberholt die wirklichkeit meine klischees bei weitem. die jungs breit wie kuehlschraenke, glatzen, volltaetowiert, riesige ketten um die nacken geschlungen, so richtige brecher. und ihre schneckies derart barbie-blond-neon-prall oder leder-high-heels-schwarz. das ganze dann in gepflegter laessigkeit verpackt in monstergrosse schneeweisse gelaendewagen (audi, chevrolet, vw) oder schwarze limousinen mit viel chrom (audi, daimler, jaguar). aua.

an der kueste entlang gibts vor allem eine grosse strasse, oft zweispurig, schnell und voll, aber immer noch recht gut befahrbar, es wird abstand gehalten und gebremst. nachts waer ich hier nicht so gerne unterwegs, an jeder halbwegs markanten kurve ein marmorgedenkstein mit eingelaserten konterfeis der verunglueckten, plastikblumen, bilderraehmchen.

diese ueppige gedenksteinkultur bewundern wir seit kroatien, nur: hier liegt der altersdurchschnitt bei schaetze mal mitte zwanzig jahren, kombiniert mit den massen an ueberfahrenen schlangen, schildkroeten, hunden, katzen, dachsen, igeln, da gehts dann wohl schneller zu. hier wirken auch die vereinzelten pferdekarren wie fremdkoerper, das hat nichts landwirtschaftliches mehr, es sieht nach bittrer armut aus, roma-familien auf dem weg in die stadt, die pferde gehetzt zwischen den lkw.

kuestenstrasse heisst nicht hoehenlinienparallel, im gegenteil. losfahren am meer, 10 km hoch, 10 runter, hafen, kaffee, 15 km hoch, 5 km runter, hafen, vesper, 5 km hoch, 15 runter, hafen, ist schon radler-zeit? nochmal 10 hoch und 10 runter, aber dann... von all den roten dreiecken auf der landkarte haben wir uns dasjenige ausgesucht (und erfragt), das noch in betrieb ist. ein campingplatz mit schlaf-raketen!

wir mieten eine zinkblechverkleidete betonkuppel in bleu, aus den 60ern, direkt am meer, innen groesser als von aussen, griechisch-blau gestrichen, drei betten, kuechele, dusche, tisch und stuhl, ein traum. und weils unser abschied von balkanien und vom schwarzen meer ist, bleiben wir zwei tage. baden schreiend in monsterwellen (grad mal ein meter hoch, wir schisser),  besuchen die weltkulturerbe-hafen-stadt-insel nesebar.

die sicher mal voll schoen war, bevor sie weltkulturerbe wurde. enge gassen mıt schoenen haeusern, unten aus stein, ab dem ersten stockwerk aus holz mit schnitzereien, balkonen, innenhoefen, eine kirche(nruine) an der anderen, inzwischen alles nur noch souvenirshops und kaffees. luemmeln im hafen herum, danach waschen, fahrrad putzen, speichen spannen, exil-bernerisch-servierten kaffee geniessen. wer ans schwarze meer moechte, urlaub machen, komme nach aheloy auf diesen campingplatz! und danke an andreas fuer den reichlich ausgeschenkten wein!!!

 

 

26.05.2013 malko tarnovo, bulgarien. grenzstadt, abschied von bulgarien. burgas, die letzte grosse kuestenstadt, haben wir durchradelt, versuesst von massenhaft postkartentauglich patinierten blechzaeunen und werbetafeln im industrie-und hafengebiet.

danach rechts und links seen und schilf, die ausfallstrasse gepflastert mit geplaetteten schildkroetenpanzern. die muessten aus beton sein, wandelnde ralentisseurs quasi, dann wuerde vieleicht langsamer gefahren werden. oder ausgewichen. es geht richtung grenze, eine traumhaft weite huegellandschaft, das getreide wird schon golden, dazwischen wald, hecken, wein, heide. schlagen unser zelt auf einem huegel auf, an dem hunderte von stoerchen "weiden".

am naechsten morgen werden wir beim frueh-espresso im nachbardorf von gul und emin, einem voll netten ex-bremer bulgarischen paar, zum fruehstueck nach hause eingeladen und mit proviant versorgt. tomaten und zwiebeln aus dem garten, leckerer kaese von der eignen kuh, erdbeeren und kirschen zum nachtisch, das war ein gutes picknick- vielen dank euch beiden, und gruesse nach bremen!  wir schlaengeln uns die berge hoch, komplett neue strasse, saftiggruene eichenwaelder, leuchtrote erde, quietschblauer himmel mit schaefchenwoelkchen, was fuer ein kontrast. im grenzstaedtchen hier doesige sonntagnachmittagsruhe, alle sitzen auf baenkchen im park um den leeren hauptplatz mit seinen verstaubten denkmaelern, spazieren, kinder spazierenfahren (eltern), mitm fahrrad rumfahren (kinder), rumflanieren in kleinen grueppchen (teenies).  wir lassen uns sofort willig anstecken und bueffeln  tuerkisch (sirke), schreiben und bummeln (ich). kommen viel zu spaet wieder los und schlagen unser zelt fast im dunkeln auf. nachtkochen mıt stırnlampe, auch mal schoen.